Segeln in Orca-Land


Seit 2020 treten an der spanischen und portugiesischen Atlantikküste vermehrt Orca-Attacken auf Segelyachten auf. Die Gründe für diese Attacken sind unklar. Es können schlechte Erfahrungen der Tiere sein, das spielerische Verhalten von halbstarken Rabauken, Futterneid, man weiss es noch nicht. Innerhalb dieses Blogs habe ich schon mehrfach über die Orcas geschrieben. Da ich immer wieder auf die Orca-Thematik angesprochen werde, möchte ich der Einfachheit halber unsere Segel-Erfahrungen hierzu einmal zusammengefasst darstellen. Wichtig dabei ist, dass diesem Text  keine wissenschaftlichen Untersuchungen zugrunde liegen, sondern unsere eigenen Erfahrungen sowie Informationen von vielen Seglern, mit denen wir im Rahmen unserer Segelreisen sprechen konnten („Steggespräche“). Es sind auch explizit keine Handlungsempfehlungen von mir!

Die geografischen Positionen der für uns relevanten Orca-Familien richten sich primär nach der Wanderung ihrer Lieblingsspeise, dem Thunfisch. Im Frühjahr wandert der Thunfisch vom Nordatlantik durch die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer, um dort zu laichen. Und die Orcas wandern natürlich mit. Die meisten Sichtungen und Orca-Interaktionen gibt es deshalb in dieser Zeit in der Region von Barbate bis Gibraltar und am Kap bei Sagres. Im Herbst ist der Thuna in der Biskaya Richtung Nordatlantik unterwegs, und die Orcas dementsprechend auch.

Von Orcas zerstörtes Ruder bei der Reparatur

Orcas sind geschützte Tiere, man darf sie nicht angreifen, verletzen, töten oder sonstwie beeinträchtigen. Dies schränkt die Möglichkeiten, sich vor den Attacken zu schützen, leider stark ein. Folgende (crazy?) Ideen sind uns bisher begegnet:

  • Katzenstreu ins Wasser streuen: es schwimmt auf dem Wasser und behindert die Orcas beim Atmen. Die Wirkung ist unklar, man braucht auf jeden Fall eine Menge Katzenstreu!
  • Diesel oder Benzin ins Wasser gießen: jedes Boot hat Diesel und/oder Benzin an Bord. Es schwimmt auf dem Wasser und behindert die Orcas beim Atmen. Die Wirkung ist unklar, alleine aus Gründen des Umweltschutzes ist die Methode verboten!
  • Sand ins Wasser streuen: der Sand stört das Echosystem der Orcas, sie können das Boot nicht mehr so gut orten. Die Wirkung ist unklar, man braucht auf jeden Fall eine Menge Sand!
  • Kanonenschläge/ Firecracker im und unter Wasser zünden: die Orcas haben ein feines Gehör und sollen durch die Explosionen verscheucht werden. Die Wirkung ist erwiesen, hat in der Praxis bei anderen Booten funktioniert. Die Verwendung von Firecrackern ist für Yachten in Spanien und Portugal verboten.
  • Lärm (unter Wasser) erzeugen: Metallstangen unter Wasser aneinander schlagen, laute Heavy Metal Musik auf die Außenlautsprecher, der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Die Orcas haben ein feines Gehör und sollen durch den Lärm verscheucht werden. Die Wirkung ist unklar.
  • Einsatz von Orca-Pingern: Pinger erzeugen ein hochfrequentes akustisches, für den Menschen unhörbares Signal, durch das die Orcas verscheucht werden sollen. Man braucht mindestens zwei Pinger. Die Wirkung ist in der Fischerei bei Delfinen erwiesen. Die Verwendung von Pingern ist ohne passende Lizenz in Spanien und Portugal verboten.
  • Unter Motor rückwärts fahren (Reversieren): die Orcas sollen verwirrt werden, weil das von ihnen gerne attackierte Ruder des Bootes auf einmal vorne und nicht mehr hinten am Boot ist. Die Wirkung ist unklar. Reversieren ist in Spanien verboten.
  • Den Orcas aus dem Weg gehen: die bekannten Hot Spots meiden und in Abhängigkeit von Wind und Wetter nahe an der Küste zwischen 15 und 20 Meter Wassertiefe fahren. Die Wirkung ist erwiesen, hat auch bei uns sehr gut funktioniert. Aber Vorsicht bei Legerwall! Die Besatzung eines dänischen Segelboots ist im Herbst 2023 vor der portugiesischen Küste ums Leben gekommen, als sie bei auflandigem Wind und hohen Wellen zu nah am Ufer gefahren und in der Brandung gekentert sind.

Die offiziellen Empfehlungen waren leider zwischenzeitlich widersprüchlich:

  • Die GTOA hat lange Zeit empfohlen, sich „tot zu stellen“, den Motor und alle Instrumente auszuschalten und sich den Orcas nicht zu zeigen. Die Auswirkung ist mittlerweile die, dass die Orcas in fast allen Fällen das Schiff beschädigen, in bisher sieben Fällen (Stand Mai 2024) sank die Yacht als Folge der Beschädigungen. Diese Empfehlung ist mittlerweile überholt!
  • Die spanische Regierung (Spanish Ministerio para la Transición Ecológica y el Reto Demográfico, MITECO) empfiehlt seit Herbst 2023, bei einer Sichtung oder bei Kontakt abzuhauen und unter Motor mit Vollgas in Richtung flaches Wasser zu fahren. Orcas sind im Rahmen ihrer Wanderungen positionstreu und verlassen ihre Gruppe nicht, d.h. sie verfolgen die Yacht nicht lange. Die Wirkung ist nachgewiesen, bei uns hat es gut funktioniert!

Für Reisen in Orca-Land entlang der portugiesischen Küste gibt es drei Alternativen:

  1. Route offshore westlich des Verkehrstrennungsgebietes für die Grossschifffahrt: Gut für längere Fahrten über Nacht, keine Orca-Interaktionen, aber längere Anfahrt. Daher eher geeignet, wenn man Portugal mehr oder weniger umfahren möchte, z.B. von UK direkt nach Gibraltar, Madeira oder zu den Kanaren.
  2. Route zwischen Verkehrstrennungsgebiet und portugiesische Küste: Gut für längere Fahrten über Nacht, weniger Fischernetze. Aber sehr riskante Route, weil hier die Tunfische ihre Wanderrouten haben, deshalb auch Spitzname „Orca-Alley“.
  3. Route unter Land in flachem Wasser auf 15-20 m Wassertiefe. Gefährliche Route bei auflandigem Wind und höherem Wellengang, Vorsicht bei der Navigation! Zwischenzeitlich viele (schlecht erkennbare) Fischernetze, daher bei Nachtfahrt ungünstig. Etwas geringere Nordströmung als bei 2, daher insbesondere gut bei Reisen von Süd nach Nord. Dies war unsere präferierte Variante in 2023 und 2024.

Informationsquellen zu Orcas:

  • orcas.pt (Die Telegram Gruppen sind sehr gut und die Meldungen über Sichtungen und Interaktionen aktueller und vollständiger als bei anderen Quellen). Rui macht hier einen phantastischen Job ❤️
  • MITECO
  • Cruising Association and GT Orca Atlantica (GTOA)
  • Orcinus-App im Apple oder Android App Store (Sichtungen und Interaktionen nicht immer vollständig)
  • Noonsite.com (Sichtungen und Interaktionen nicht immer vollständig)

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