Normalerweise stellt sich die Frage nach dem Sinn einer Aktivität. Warum tue ich dies oder das, was will ich bewirken? Diese Frage haben wir uns in den letzten Tagen und Wochen in Bezug auf unser Sabbatjahr auch immer wieder gestellt. Wollen wir unbedingt ein seglerisches Ziel (Nordatlantikrunde) erreichen? Wollen wir in die Karibik? Wollen wir den beruflichen Stress der letzten Jahre abbauen und entspannt mit dem Boot an schönen Lokationen bleiben und relaxen? Am liebsten natürlich alles davon, aber die Priorität liegt ganz klar beim Stressabbau! 

Ein Blick auf die Fakten ergibt eine eindeutiges Bild 🧐: wir liegen seglerisch im Zeitplan, die Nordatlantikrunde ist möglich. In den ersten drei Monaten mussten wir, um den Zeitplan zu halten, aber meistens GEGEN das Wetter fahren. Es gab überwiegend entweder zu viel oder zu wenig Wind fast immer aus der falschen Richtung. Ein seglerisches Highlight war klar die Überquerung der Biskaya inklusive friedlicher Orca-Begegnung, aber das war eine eher seltene Ausnahme. Meine Fitness nach meiner Herzoperation im letzten Winter ist leider noch weit entfern von früherer Leistungsfähigkeit, die Reha braucht anscheinend viel mehr Zeit als gedacht und versprochen. Außerdem leide ich unter den krassen Nebenwirkungen der ganzen Tabletten, die ich seitdem nehmen muss. Eine Nacht durchzusegeln ist bei moderaten Bedingungen ok, aber ich traue mir lange Schläge wie den Atlantik insbesondere bei schlechtem Wetter im Moment nicht zu. Die windhexe ist ein schnelles und agiles Schiff. Sie macht unter Segeln Spaß, fordert dabei aber auch permanente Aktivität und Beachtung. Ab zwei bis drei Meter Welle und dabei sieben oder mehr Knoten Speed kommt die Selbststeueranlage einfach nicht mehr mit. Trotz einer zweijährigen Vorbereitungsphase geht seit Törnbeginn am Schiff immer wieder etwas kaputt, wir verbrauchen viel Zeit für Reparaturen und Ersatzteilbeschaffungen. Der Saildrive z.B. verliert immer noch etwas Öl, aber ich habe keine Lust mehr, den Motor zum dritten Mal auszubauen!

Zusammengefasst erzeugen fast alle Fakten eher neuen Stress, als dass sie zum Stressabbau beitragen. Und meine mangelnde Fitness ist sogar sicherheitsrelevant und damit ein KO-Kriterium! Da Stressabbau unser primäres Ziel sein und bleiben soll, haben wir unsere Törnplanung nun geändert. Wir werden nicht über den Atlantik segeln, unsere Teilnahme an der ARC Rallye habe ich abgesagt. Wir werden auch nicht mehr tagelang durch die Flaute oder gegen Wind und Welle motoren, um pünktlich irgendwo anzukommen, sondern wir fahren nur noch bei geilem Segelwetter weiter! Das neue Ziel ist bewusst völlig unbestimmt, wir fahren grob Richtung Algarve, Gibraltar und Mittelmeer und verbringen so den Winter. Wir hängen überall dort ab, wo es schön ist 🌴🇵🇹. Gestern abend waren wir in Lissabon am Flussufer des Tejo in einer Bar direkt am Wasser, Bier, Longdrinks und leckerer Pizza, gute Musik, Blick auf die große Brücke im Sonnenuntergang, und alles völlig stressfrei 🥰